Die Fürsorge für blinde, taubstumme und krüppelhafte Kinder
Der Fürsorge für Blinde dient vor allem die Blindenerziehungsanstalt in München, sie ist bestimmt für den Unterricht und die Erziehung Blinder: mit ihr ist eine Blindenbeschäftigungsanstalt verbunden. Ferner ist ihr eine Versorgungsanstalt für ehemalige weibliche Zöglinge der Blindenerziehungsanstalt angegliedert. Auch aus der Anstalt entlassene Blinde werden durch die Anstalt in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützt. Neben dieser zentralen Anstalt bestehen noch in verschiedenen Städten Blindenanstalten von örtlicher Bedeutung. Zur Erziehung taubstummer Kinder besteht das Zentral-Taubstummeninstitut in München, dem gleichen Zweck dienen eine Anzahl von ähnlichen Anstalten und Einrichtungen in den Provinzen, der Fürsorge für arme krüppelhafte Kinder dient die Zentralanstalt für Erziehung und Bildung krüppelhafter Kinder in München.
Definition Meyers Großes Konversations-Lexikon 1905*
[751] Krüppel, ein anormaler Mensch, dessen Gebrechen letztlich in Stellungs- und Gestaltsabweichung des Knochengerüstes besteht. Die meisten K. verkamen früher völlig durch Nichtausbildung und Nichtgebrauch ihrer geringen Kräfte, Verbitterung und Versumpfung, bei schlechter Behandlung oder zuweilen Verzärtelung, nicht selten auch dadurch, daß sie aus ihrem Elend eine Erwerbsquelle machten in Jahrmarktsbuden etc. Erst spät begann die systematische Fürsorge für K. Johann Edler v. Kurz in München begründete die zeitlich erste Krüppelfürsorgeanstalt in München 1832, Pastor Knudsen in Kopenhagen die sachlich höchststehende und zugleich die, welche am meisten Propaganda für die Sache gemacht, 1872 in Kopenhagen. In Deutschland bestehen jetzt reichlich 20 Anstalten mit über 1600 Plätzen: München (1832), Stuttgart, Ludwigsburg, Nowawes bei Potsdam (1886), Obersontheim (Württemberg), Reichenberg (Württemberg), Reutlingen, Cracau bei Magdeburg (1899), Kirchrode bei Hannover, Ketschendorf bei Fürstenwalde, Kreuznach, Dresden, Niederlößnitz, Stettin, Angerburg, Stellingen bei Altona, Rothenburg (Schlesien), Alt-Colziglow (Pommern), Bischofswerder (Westpreußen), Rostock, Marklissa, Blankenburg (Thüringen). Außer Deutschland ist die Fürsorge in den skandinavischen Ländern am besten und vielfach vorbildlich entwickelt. Alle deutschen haben sich zu einer zweijährigen Wanderkonferenz seit 1901 verbunden. Eine Krüppelanstalt hat eine dreifache Aufgabe: 1) Heilung oder Besserung der leiblichen Gebrechen durch Orthopädie, Chirurgie, Massage, Turnen, Hygiene, Bandagen, Protesen, Pflege. 2) Leibliche und geistige Erziehung nach den Grundsätzen der Pädagogik und Didaktik in ihrer Anwendung auf die besondern Verhältnisse. Dahin gehört vorbereitender Arbeits- und Handfertigkeitsunterricht schon während der Schuljahre. 3) Arbeitserlernung zum spätern Broterwerb. Solche Arbeiten sind für weibliche Zöglinge: Kleidermachen, Weißnähen, Putzmachen, Stricken etc. und häusliche Verrichtungen; für die männlichen: Schneiderei, Schuhmacherei, Schlosserei, Bandagenarbeit, Tischlerei, Buchbinderei; auch Ausbildung für Bureaus; daneben werden viele kleinere Arbeiten gelernt, als Stuhlflechten, Bürstenmachen etc., möglichst solche Arbeiten, die mehr Geschick als Kraft erfordern. Die Anstalten sind also Erziehungs- und Ausbildungsstätten, nicht Siechenhäuser, in denen die Gebrechlichen zeitlebens verpflegt werden.
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Beitrag von Der Wolpertinger »
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