kgl. Untersuchungsanstalten f. Nahrungs- und Genußmittel.

inkl. Medizinalkomite's und die kgl. Untersuchungsanstalten f. Nahrungs- und Genußmittel.
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Der Wolpertinger
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kgl. Untersuchungsanstalten f. Nahrungs- und Genußmittel.

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I. Schutz gegen schädliche Nahrungsmittel, Gebrauchsgegenstände

Gegen die Verfälschung der Nahrungs= und Genußmittel im allgemeinen, sowie dagegen, daß gewisse Waren von gesundheitsgefährdender Beschaffenheit (Spielwaren, Tapeten, Farben, Eß-, Trink¬und Kochgeschirre, Petroleum) in Verkehr gebracht werden, richtet sich das sogenannte Nahrungsmittelgesetz des Reichs (vom Jahre 1879) mit strengen Strafandrohungen. Dieses Gesetz gestattet auch den Polizeibeamten, zur Kontrolle die Verkaufsräume zu betreten und Proben der Waren zum Zweck der Untersuchung gegen Entgelt zu entnehmen. Zur Durchführung der technischen Untersuchungen dienen die Untersuchungsanstalten für Nahrungs= und Genußmittel. An solchen bestehen in Bayern teils staatliche Anstalten, die
mit den Universitäten verbunden sind, teils in einigen Städten, nämlich in Fürth, Nürnberg und Regensburg, gemeindliche Anstalten;
hierzu kommt noch für die Pfalz die landwirtschaftliche Kreisversuchsstation zu Speyer.
Neben diesen allgemeinen Vorschriften bestehen jedoch für verschiedene wichtige Nahrungs= und Genußmittel u. dgl. noch besondere
Bestimmungen. Es kommen hier in Betracht

1. Das Fleisch.
Der Verkehr mit Fleisch ist durch ein Reichsgesetz über die Schlachtvieh= und Fleischbeschau einheitlich geregelt. Hiernach unterliegt das zum menschlichen Genuß bestimmte Schlachtvieh (Rindvieh,Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Esel, Maultiere, Maulesel und
Hunde) der amtlichen Untersuchung, welche sowohl vor der Schlachtung (Schlachtviehbeschau) als nach ihr (Fleischbeschau)
vorgenommen werden muß. Die sogenannten Notschlachtungen (von Tieren, deren Verenden zu befürchten ist,) sind von der
ersten und die auf den eigenen (privaten) Gebrauch beschränkten Hausschlachtungen sind, falls keine Erkrankungsmerkmale
sichtbar, von beiden Untersuchungen befreit. Die Schlachtvieh= und Fleischbeschau bildet in Bayern einen Gegenstand der örtlichen Polizeiverwaltung. Zu ihrer Vornahme sind in den einzelnen Gemeinden Beschaubezirke gebildet; kleinere Gemeinden können sich zu einem Beschaubezirk vereinigen oder sich einer größeren Gemeinde anschließen. Die Schlachtvieh= und Fleischbeschau ist in den Beschaubezirken jener Gemeinden, in denen approbierte
Tierärzte ihren Wohnsitz haben, diesen übertragen, in den übrigen Bezirken werden besondere Fleischbeschauer bestellt.
Das bei der Beschau als ungenießbar befundene Fleisch darf nichtin den Verkehr gebracht werden. Das vollwertige Fleisch wird durch
Aufdruck eines Farbstempels als „bankwürdig“ bezeichnet, während als „nichtbankwürdig“ gestempelt wird solches Fleisch, welches zwar minderwertig, aber doch entweder sofort oder nach entsprechender Behandlung (z. B. durch Kochen, Dämpfen, Pökeln usw.) zum Genusse tauglich ist. Das nicht bankwürdige Fleisch darf nur Das Gesundheitswesen auf einer besonderen Verkaufsstelle (Freibank) oder sonst unter ortspolizeilicher Kontrolle feilgeboten und regelmäßig nur zum Gebrauch im Privathaushalt (nicht in Wirtschaften) abgegeben werden. Pferdefleisch ist beim Verkauf als solches ausdrücklich zu bezeichnen und darf nicht im gleichen Raum mit anderem Fleisch feilgeboten werden. Das vom Ausland eingehende Fleisch wird an der Zollgrenze untersucht. Die Einfuhr von Würsten und von Büchsenfleisch (Fleischkonserven) ist völlig verboten. Durch ortspolizeiliche Vorschriften können in Bayern Anordnungen getroffen werden, daß das Vieh nur in öffentlichen Schlachthäusern geschlachtet werden darf; es können für diese
Schlachthäuser Schlachtordnungen gegeben und Bestimmungen für den Verkauf des Fleisches in den Schlachthäusern und außerhalb derselben getroffen werden.

2. Butter und Schweineschmalz
werden in neuerer Zeit vielfach durch die aus Rinderfett bereitete Kunstbutter (Margarine) und durch Kunstspeisefett ersetzt. Ein
Reichsgesetz (das sog. Margarinegesetz) gibt, um Täuschungen des Publikums zu verhüten, genaue Vorschriften über die Feilhaltung
und die Bezeichnung dieser Ersatzmittel und unterwirft ihre Fabrikation einer polizeilichen Ueberwachung.

3. Künstliche Süßstoffe.
Mit Rücksicht auf die gesundheitliche Bedeutung der Zuckernahrung und zum Schutz des Zuckerrübenbaus verbietet das Süßstoffgesetz des Reichs, künstliche Süßstoffe, welche ohne entsprechenden Nährwert eine höhere Süßkraft als Zucker besitzen (sog. Saccharin), herzustellen, zu verkaufen, bei der gewerblichen Herstellung von Nahrungs- oder Genußmitteln zu verwenden oder aus dem Auslande einzuführen. Doch sind Ausnahmen von diesem Verbot gestattet; insbesondere ist, da die künstlichen Süßstoffe zu einzelnen Zwecken, z. B. in der Medizin, nicht entbehrlich sind, der Verkauf in
den Apotheken erlaubt, und einzelnen Fabriken ist die Fabrikation unter amtlicher Ueberwachung freigegeben.

4. Der Wein.
Ein besonderes Reichsgesetz bestimmt, welche Zusätze zum Wein und welche Herstellungsarten des Weines verboten sind. Weine, welche
diesen Vorschriften nicht entsprechen, dürfen nicht feilgehalten oder verkauft werden. Gestattet ist nach dem Gesetze die gebräuchliche Kellerbehandlung, die Vermischung (der sog. Verschnitt) mit anderem Weine, die Entsäuerung mittels Kalks und (in gewissem Umfange)
Glock-Schiedermair, Bürgerkunde. Die innere Verwaltungsämter) aufbewahrt werden. Ueber die Abgabe gewisser Gifte sind
ein Zusatz von Zucker; doch darf der gezuckerte Wein nicht als „Naturwein“ bezeichnet werden. Zum Zweck der Durchführung dieser Vorschriften unterliegen die Geschäftsräume, Keller, Geschäftsbücher usw. der Weinproduzenten und Weinhändler einer strengen Kontrolle durch
Beamte und Sachverständige.

5. Die Milch.
Das Verkaufen und Feilhalten der Milch von kranken Kühen ist verboten, desgleichen von unreiner, übelschmeckender und blaufleckiger
Milch, selbst wenn sie nicht verfälscht im Sinne des oben erwähnten Nahrungsmittelgesetzes ist. Abgerahmte Milch (sogenannte Magermilch) darf auf Märkten, auf der Straße und in Verkaufsläden nur in Gefäßen feilgehalten werden, die die Aufschrift „Abgerahmte
Milch“ oder „Magermilch“ tragen. Ergibt sich der Verdacht einer Milchfälschung, so kann die Polizeibehörde in der Stallung, aus der
die Milch stammt, die sogenannte Stallprobe vornehmen; diese besteht darin, daß die Kühe unter polizeilicher Aufsicht gemolken und aus
der hierbei gewonnenen Milch Proben zur Untersuchung und zur Vergleichung mit der beanstandeten Milch entnommen werden. Der
Verkehr mit Milch wird durch die Distrikts= und die Ortspolizeibehörden überwacht. Zur vorläufigen Prüfung der Milch auf Verfälschung dient die Milchwage (der Laktodensimeter); eingehendere Untersuchungen werden durch die Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genußmittel vorgenommen.

6. Giftige Stoffe.
Ein besonderes Reichsgesetz verbietet die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben zur Herstellung, Aufbewahrung und Verpackung von Nahrungs- und Genußmitteln, zur Herstellung von Schönheitsmitteln, Spielwaren, Tapeten, Möbel- und Teppichstoffen, Bekleidungsstücken usw., sowie zum Anstreichen von Wohn- oder Geschäftsräumen. Blei- oder zinkhaltige Geschirre und Gefäße müssen den Vorschriften eines diesen Gegenstand behandelnden Reichsgesetzes entsprechen. Ueber den Verkehr mit Giften bestehen eingehende landesrechtliche Bestimmungen. Als Regel gilt: In Bayern müssen Vorräte von Giften, die zum Verkauf gehalten werden, übersichtlich geordnet und von anderen Waren getrennt aufbewahrt werden.
Die Vorratsgefäße müssen die Aufschrift „Gift“ und die Angabe ihres Inhalts enthalten. Gewisse Gifte müssen in einem besonderen von
allen Seiten durch feste Wände umschlossenen Raume (Giftkamvormerkungen, die insbesondere den Namen des Empfängers enthalten, das sogenannte Giftbuch, zu führen. Gift darf nur an solche Personen abgegeben werden, welche als zuverlässig bekannt sind und das Gift zu einem erlaubten Zweck benutzen wollen. Sofern der Abgebende von dem Vorhandensein dieser Voraussetzungen keine sichere Kenntnis hat, darf er Gift nur gegen einen von der Ortspolizeibehörde ausgestellten Erlaubnisschein abgeben. Wer den Handel mit Giften betreiben will, hat der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten. Zum Handel mit gewissen Giften ist sogar polizeiliche Genehmigung notwendig. Phosphorzündhölzer dürfen (wegen der mit der Fabrikation für die Arbeiter verknüpften Gesundheitsgefahr) im ganzen Reichsgebiet nicht mehr angefertigt und seit 1. Januar 1908 auch
nicht mehr in Verkehr gebracht werden.
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