Das Kirchenwesen

Im Fachportal für die kirchlichen Angelegenheiten des Königreichs sammeln und bearbeiten wir alles wissenswerte sowie gesetzlich relevante zu den Gegenständen der Religion und Kirchen, insbesondere die im § 6 der Verordnung vom 15. Dez. 1846 aufgeführten.
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Der Wolpertinger
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Das Kirchenwesen

Beitrag von Der Wolpertinger »

I. Die Stellung des Staates zum religiösen Bekenntnis und zu den Kirchen.

1. Die kirchlichen Organisationen sind ebenso wie andere Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens etwas neben dem Staat Bestehendes. Sie treten jedoch in unseren modernen Staaten in rechtliche Beziehungen zu der Staatsgewalt. Die Normen, durch die die Verhältnisse der religiösen Organisationen geregelt werden gehen deshalb an sich von den zur Normgebung bestimmten Organen der religiösen Vereinigungen aus;
allein der Staat läßt ihnen nicht volle Freiheit; er regelt kirchliche Verhältnisse teils selbst, teils setzt er den Organen der Kirche Schranken und so hat das Kirchenrecht, teils kirchlichen, teils staatlichen Ursprung. Im Mittelalter brachte die katholische Kirche den Standpunkt zur Anerkennung, daß kirchliche Verhältnisse nur durch die Kirche geregelt werden dürfen; der moderne Staat hat es verstanden, diesen Grundsatz zu erschüttern,
und läßt der Kirche nur innerhalb der von ihm durch die Staatsgesetze gezogenen Grenzen die Freiheit. Bisweilen erfolgte die Regelung kirchlicher Verhältnisse durch Verträge zwischen dem Staat und der Kirche, die sogenannten Konkordate. So hat insbesondere Bayern im Jahre 1817 ein Konkordat mit dem päpstlichen Stuhl vereinbart, durch das eine grundsätzliche Regelung der Verhältnisse der katholischen Kirche im bayerischen Staat erfolgte und das neben dem sogenannten Religionsedikt, einem Teil der Verfassungsurkunde, die Grundlage für die Stellung der Kirche in Bayern bildet.

2. Durch die Verfassungsurkunde ist jedem Einwohner Bayerns die Gewissensfreiheit gesichert, d. h. er darf in Gegenständen des Glaubens und des Gewissens keinem Zwang unterworfen werden und es darf niemand, gleichgültig zu welcher Religion er sich bekennen mag, die einfache Hausandacht untersagt werden. Es ist deshalb auch einem jeden die Wahl seines Glaubensbekenntnisses freigestellt und Beschränkungen, die die Satzungen der Religionsgesellschaften in dieser Richtung aufstellen, haben in Bayern keine rechtliche Wirksamkeit. Diese Selbstbestimmung steht aber nur solchen Personen zu, die das 21. Lebensjahr zurückgelegt haben und im Besitze ihrer Geisteskräfte sind. Der Austritt aus einer Glaubensgesellschaft und der
Übertritt von einer Kirche zu einer anderen können nur durch persönliche Erklärung bei dem Pfarrer oder dem sonstigen geistlichen
Vorstand der Kirche, die verlassen werden soll, und dem der neugewählten Kirche erfolgen.“
Durch ein besonderes Reichsgesetz wurde dann weiter der Grundsatz ausgesprochen, daß das religiöse Bekenntnis der Staatsangehörigen ohne Einfluß auf die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist.

3. Die Stellung des Staates gegenüber den Glaubensgesellschaften ist in Bayern verschieden, je nachdem sie als öffentliche Kirchengesellschaften oder als Privatkirchengesellschaften anerkannt sind. Als öffentliche Kirchengesellschaften sind in Bayern nur anerkannt
die katholische,
die lutherische und die
reformierte Kirche.

Als private Glaubensgesellschaften sind anerkannt die griechische Kirche, die Altkatholiken, die Anglikaner, die Irvingianer, die Mennoniten, die Methodisten, die Herrenhuter und die Israeliten. Die Anerkennung als private oder als öffentliche Glaubensgesellschaft erfolgt durch den Königs. Nur den
öffentlichen Glaubensgesellschaften ist gestattet, ihren Gottesdienst in voller Oeffentlichkeit auszuüben und nur ihre Diener haben die Stellung öffentlicher Beamter. Den Privatkirchengesellschaften dagegen sind zwar gottesdienstliche Zusammenkünfte gestattet, dagegen düren sie sich nicht der Glocken oder des sonstigen Gepränges der öffentlichen Kirchen bedienen; ihre Religionsdiener sind im Verhältnis zum Staat nur Privatpersonen und ihre sonstigen Befugnisse bemessen sich nach den ihnen bei der Aufnahme gesetzten Bedingungen.

4. Im einzelnen ist der Einfluß, den der Staat auf die Glaubensgesellschaften ausübt, verschieden, je nachdem es sich um innere
Kirchenangelegenheiten, um Gegenstände gemischter Natur oder um weltliche Kirchenangelegenheiten handelt. Für weltliche Angelegenheiten
hat der Staat den Grundsatz aufgestellt, daß er allein entscheidet. Was weltliche Angelegenheiten sind, ist durch die Bestimmungen der
Verfassungsurkunde festgesetzt. Dazu gehören insbesondere die Regelung der Vermögensverhältnisse der Geistlichen und der Kirchen,
die Pflicht zur Erbauung und Erhaltung der Kirchen und die Zulassung zu Kirchenpfründen. In Gegenständen gemischter Natur erfolgt die Regelung durch Zusammenwirken der staatlichen und der kirchlichen Organe. Zu den Gegenständen dieser Art zählt ,die Verfassungsurkunde die Anordnungen über den Gottesdienst, dessen Ort, Zeit und Zahl, die Errichtung geistlicher Gesellschaften, die Einteilung in Diözesen, Dekanats- und Pfarrsprengel. In den
inneren rein religiösen Angelegenheiten hat der Staat der Kirche im allgemeinen freie Hand gelassen, doch nimmt er auch hier das Recht in Anspruch, Beschwerden gegen Mißbrauch der geistlichen Gewalt entgegenzunehmen und ihnen abzuhelfen, bei Spaltungen zur Herstellung der Einigkeit mitzuwirken; vor allem aber beansprucht der bayerische Staat das sogenannte Plazetrecht (vom lateinischen placere = gefallen), d. h. es darf kein Gesetz und keine sonstige Anordnung der kirchlichen Gewalt publiziert oder vollzogen werden, ehe nicht der König sie geprüft und genehmigt hat.
Im Eingang der kirchlichen Ausschreibungen ist ausdrücklich zu erwähnen, daß die königliche Genehmigung erfolgt sei. Das Plazet ist
nicht erforderlich bei Weisungen, die lediglich aus bereits genehmigten Verordnungen hervorgehen, ferner für Anordnungen, die nur für
die Geistlichkeit, nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind.

5. Die Ausgaben für kirchliche Zwecke sind in erster Linie aus den Erträgnissen des Vermögens der kirchlichen Stiftungen
zu bestreiten; man unterscheidet hierbei das Pfründevermögen, d. h. das für den Unterhalt des Geistlichen bestimmte Vermögen, und das Kirchenstiftungsvermögen, d. h. das für sonstige kirchliche Zwecke, z. B. zur Instandhaltung der Kirche bestimmte Vermögen. Die Verwaltung des Pfründevermögens obliegt (bei protestantischen Pfarreien unter Mitwirkung des Kirchenvorstandes) dem Inhaber der Pfründe. Er untersteht jedoch einer staatlichen Aufsicht (sogenannten Kuratel), die im wesentlichen von den Kreisregierungen ausgeübt wird. Er bedarf der Genehmigung der letzteren insbesondere, wenn Bestandteile des Pfründevermögens veräußert werden sollen, wenn Kapitalien ausgeliehen werden oder
Rechtsstreite geführt werden sollen. Die Verwaltung des Kirchenstiftungsvermögens obliegt einem besonderen Organ, der Kirchenverwaltung. Sie besteht aus dem Pfarrer, einem Vertreter politischen Gemeinde und aus zwei bis acht besonders gewählten Mitgliedern. Die Kirchenverwaltung hat auch die Kirchengemeinde zu vertreten. Die Beschlüsse der Kirchenverwaltung sind fast in allen Angelegenheiten nur dann wirksam, wenn sie die Genehmigung der sogenannten Kuratelkirchenbehörden, das sind die Bezirksämter und die Kreisregierungen, gefunden haben.

Zu den Erträgnissen des Kirchenvermögens kommen an weiteren Einnahmen Geschenke, so die Klingelbeutelsammlungen, ferner die Kirchenstuhlgelder und Zuschüsse aus anderen reichen Kirchenstiftungen. Soweit die Einnahmen nicht ausreichen, sind für eine bestimmte Gemeinde Kirchengemeindeumlagen zu erheben. Sie können nur für bestimmte, gesetzlich vorgeschriebene Zwecke erhoben werden und werden durch verhältnismäßige Zuschläge zu den direkten Staatssteuern aufgebracht. Umlagepflichtig sind die im Bezirke der Gemeinde wohnenden Angehörigen der die Umlage erhebenden Konfession. Die Einführung der Umlagen erfolgt durch Beschluß der Kirchengemeindeversammlung; an deren Stelle kann jedoch auch auf Antrag der Kirchenverwaltung eine sogenannte Kirchengemeinderepräsentation treten, deren Mitglieder in ähnlicher Weise wie die
Mitglieder der Kirchenverwaltungen gewählt werden.
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